Kulturhistorischer Überblick
- Rudolf Otten
Ein Blick von den Höhen des Ferschweiler Plateaus über das Prümtal lässt sofort erkennen, dass es sich bei dem vor einem ausbreitenden Panorama um eine überaus alte und in sehr langer Zeit gewachsene Kulturlandschaft handelt: Klar strukturierte Grenzen zwischen waldigen Steilhängen und seit ältester Zeit als Weiden genutzten Ebenen und halbhoch gelegenen Bergrücken, Wege, die sich seit Jahrhunderten, wenn nicht seit Jahrtausenden unverändert durch die Wiesen und Weiden ziehen, Reihen von Obstbäumen und langgestreckten Böschungen, nicht selten Schlehen und Weißdorn, charakterisieren das Tal am Zusammenfluss von Enz und Prüm. Diese Charakterisierung der Landschaft des unteren Prümtals setzt spätestens ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. mit der Besiedlung durch eine keltischstämmige Bevölkerung ein. Bedeutendstes Zeugnis aus dieser Epoche in der Region ist die keltische Ringwallanlage von Wallendorf. Neben solchen größeren, zentralen Siedlungsanlagen bestanden aber auch kleiner Dörfer und Gehöfte, die es auch in der Gegend um Holsthum gegeben haben dürfte. Eindrucksvollstes Zeugnis dieser Epoche ist sicher das keltische Adelsgrab von Ferschweiler. Daneben ist eine Reihe von Hügelgräbern auf dem Ferschweiler Plateau und in Peffingen zu nennen, deren Zeitstellung im Einzelnen ungewiss ist, die jedoch durchaus in diese keltische Epoche der Latènezeit gehören könnten.
Eine Zäsur für die gesamte Großregion bedeutete die Eroberung Galliens durch Julius Caesar. In seiner Schrift Commentarii de bello Gallico, die er während seiner Eroberungen der Region von 58 bis 52 v. Chr. verfasst hat, begegnen uns auch zum ersten Mal die keltischen Höhensiedlungen in einem schriftlichen Zeugnis. Da Caesar diese Siedlungen im keltische Raum als oppida (städtische Siedlung) bezeichnet, hat sich in der Wissenschaft der Begriff der „oppida-Kultur“ durchgesetzt. Sie beginnt etwa mit der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts vor Christus und endet allmählich nach der Eroberung der Region durch Caesar. In seinen commentarii bezeichnet er den Raum der Südeifel als zur civitas Treverorum gehörig. Dementsprechend hatte sie, wie alle anderen Gebiete Galliens auch, an den großräumigen siedlungsmäßigen Verschiebungen ab dem späten 1. Jahrhunderts v. Chr. Anteil. Diese Veränderungen gehören in den Prozess der Romanisierung, die ab der Zeitenwende in verstärktem Maße die Kultur unserer Region prägt.
Die Romanisierung der keltischen Bevölkerung gehörte zur Strategie der römischen Eroberer und diente maßgeblich der Befriedung einer noch immer zu Aufständen neigenden Bevölkerung. Eines der zentralen Elemente der Romanisierung durch die neuen Herrscher war - neben der Einforderung von vor allem jüngeren Geiseln aus den Fürstenfamilien und ihrer Erziehung in Rom[1] - die Siedlungspolitik. Hierzu gehörte es, die Höhensiedlungen der Spätlatène-Zeit und oppida-Kultur aufzulösen und die einheimische Bevölkerung an Höhen, Talhängen und Flusstälern anzusiedeln. Man darf davon ausgehen, dass die allmähliche Auflösung der Wallendorfer Ringwallsiedlung „Castellberg“ als befestigte Wohnstätte in diesen Prozess gehört.[2] Ein weiteres Merkmal der neuen römischen Siedlungspolitik war die Assimilation, d.h. die Angleichung der Lebensweise, der einheimischen keltischen Bevölkerung an die römische durch Ansiedlung in so genannten villae rusticae (Landgüter). Ohne für unsere Region über schriftliche Quellen im Einzelnen zu verfügen, erscheint es sehr wahrscheinlich, dass Angehörige einer adlig-keltischen Oberschicht, die sich den neuen Herren gegenüber botmäßig zeigte, mit umfangreichen Ländereien und Rechten ausgestattet wurden. Diesem Umstand verdankt sehr wahrscheinlich auch Holsthum seine zentralen Funde ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. In den ersten zwei Jahrhunderten konnten die Bewohner der Region unter dem Schutz der pax Romana (Frieden innerhalb des Römischen Reiches) ein relativ friedliches Leben führen. Erst mit dem Einsickern fränkischer und alemannischer Gruppen, das sich ab der Mitte des 3. Jahrhunderts mit der einsetzenden Reichskrise verstärkte und sich bis weit ins 7. Jahrhundert hinzog, sowie dem Rückzug der römischen Truppen um das Jahr 400 n. Chr., wird die gallorömische Epoche mehr und mehr von der Zeit der fränkische Kulturprägung abgelöst.
Eisenzeitliche Einzelfunde im Bereich Holsthum
Zeugnis für eine eisenzeitliche Besiedlung der Umgebung von Holsthum sind die Funde in der Flur „Hufeisen“ auf dem Holsthumer Berg. 1975 wurden dort grobe Keramikscherben und Fragmente eines tonnenförmigen Rautopfes mit glattem Hals gefunden. Dirk Krausse, der als Archäologe wegweisend über die Wallendorfer Ringwallanlage gearbeitet hat und die latènezeitlichen und gallo-römischen Funde der Region in jüngerer Zeit detailliert aufgelistet hat, geht davon aus, dass es sich um die Überreste einer eisenzeitlichen Siedlung handelt.[3]
Um ein solches älteres Siedlungszeugnis könnte es sich auch bei der Abschnittsbefestigung in der Gemarkung „Katzenköpfchen“ handeln, wenngleich der Entstehungs- und Nutzungszeitraum ungeklärt ist. Dort ist ein Wall mit Graben auf 30m Länge erhalten.
Ebenfalls älteren Datums, d.h. vorkeltisch, könnte die Gruppe von sechs Hügelgräbern im Bereich „Gründelhecke“ nordwestlich des Laeisenhofes am Rand des Ferschweiler Plateaus sein. Auch hier ist die genauere Zeitstellung nicht geklärt; sie dürften jedoch auch einen eisenzeitlichen Ursprung haben.
Auf der Gemarkung „Im großen Büsch“ auf der Höhe des Ferschweiler Plateaus, zwischen Ferschweiler und Holsthum, wurde 1958 ein Brandgrab angepflügt. Geborgen wurden Bodenscherben eines grobkeramischen Gefäßes und Leichenbrand. Die Datierung in die Spätlatènezeit erscheint hier jedoch nicht hinreichend gesichert. In der Nähe wurde zudem ein Grabhügel mit einer römischen Aschenkiste ("Grabhüttenstein") entdeckt. In unmittelbarer Nähe liegen zwei verfallene Steingebäude, Kalksteinwälle (sog. „Steinrauschen“) und zwei Mardellen, Mulden zur Entnahme von Baumaterial.
Auffällig ist eine im Waldboden gut sichtbare eindrucksvolle Wall- und Grabenanlage auf der Anhöhe „Dahlemslayen“, wenige Meter südlich der Straße Holsthum-Wolsfeld. Von hier fällt ein Berghang steil ins Prümtal hinab. Der Wall, der ca. 70m von dem Berghang entfernt ist und quer zum Bergrücken verläuft, ist ca. 15m breit und ca. 2m hoch. Der vorgelagerte Graben ist ca. 10m breit und 3 bis 4m tief. Bereits Josef Steinhausen, der bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Eifel archäologisch untersuchte, erwähnt die Anlage, ohne jedoch eine Zeitstellung vorzuschlagen.[4]Ähnlich den bekannten Anlagen auf dem Ferschweiler Plateau wie etwa die Niederburg oder die so genannte „Wikingerburg“ ist hier nur gewiss, dass die Anlage spätestens latènezeitlich sein dürfte. Auch die genaue Bestimmung ist unklar: Wall, Graben und Lage lassen eine militärische Nutzung wahrscheinlich erscheinen. Bei Grabungen blieb auch sie nahezu fundleer.
villa rustica Holsthum
Sicherlich die bedeutendste gallo-römische Fundstätte in Holsthum ist eine villa rustica, in Holsthum bekannt als „Römische Villa“. Durch ihre auf halber Höhe über der Prüm befindliche Lage ist sie überaus eindrucksvoll und gibt den Blick frei auf das weite Prümtal und die darüberliegenden wildromantischen Höhen des Ferschweiler Plateaus.
Rezeption in älterer Zeit
Schon der Name der Flur „Auf den Mauern“, auf der die römische Villa steht, lässt erkennen, dass die erhaltenen Gebäudeteile seit alter Zeit bekannt sind. Einen Hinweis auf die Deutung der römischen Villa in älterer Zeit gibt der Name des südlichen Teils des Bornwegs, der vom Dorf aus in Richtung Römische Villa führte. Seine Flurbezeichnung war „Zempelsweg“ oder „Tempelsweg“, was darauf schließen lässt, dass man in älterer Zeit glaubte, es mit einem heidnischen Heiligtum zu tun zu haben. Auch Josef Steinhausen erwähnt bereits 1932 eine „Siedlung“ mit Keller und Treppe.[5]
Obgleich außer drei Treppenstufen, die im Haus Ferring (Holsthum) verbaut worden sein sollen,[6] keine Spoliennutzung im Dorf bekannt ist, muss man davon ausgehen, dass im Laufe der Jahrhunderte der größte Teil der behauenen Steine im Ort verbaut worden ist. Die Flur „Auf den Mauern“ wurde zunächst landwirtschaftlich genutzt und die kleineren Parzellen gehörten verschiedenen Holsthumer Landwirten.
Beginn der Grabungen
Der Beginn der Grabungen und Instandsetzungsarbeiten kommt durch die Flurbereinigung Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts in Gang. Das Kulturamt Trier führte gegen Ende der 80er Jahre Sondierungs-, bzw. Querschnittgrabungen durch, die das Ausmaß der Anlage erkennen ließen. Im Jahr 1989 kam es dann zur Zusammenführung der verschiedenen Parzellen und zur Besitzübertragung an die Gemeinde Holsthum. Von 1991 bis 1993 konnten dann die systematischen Grabungen unter der Leitung von Dr. Sabine Faust durchgeführt werden.
Fundsituation
Einzelne Funde, die der Hunsrück-Eifel-Kultur, der Spätlatène- und augusteischen Zeit zuzuordnen sind, legen jedoch das Vorhandensein von Vorgängersiedlungen nahe. Die Struktur des Vorgängerbaus ließ sich jedoch nicht mehr rekonstruieren. Zahlreiche der interessanten Einzelfunde fanden sich in dem schon zu römischer Zeit aufgeschütteten östlichen Bereich der römischen Villa.
Bei den Grabungsarbeiten kamen zunächst die Grundmauern mit zwei Risaliten (vorspringende Gebäudeteile an den Ecken), ein breiter Keller mit Treppe und verschiedene Säulenreste zum Vorschein. Am unteren Treppenabsatz befindet sich rechts eine Nische in der Wand. Der Boden des Kellers besteht aus festgetretenem Lehm. Besonders gut erhalten zeigte sich die östliche Rückwand des Kellers, die noch bis zu einer Höhe von etwa 2,20m aufragte.
Der südöstliche Teil des Kellers war zu römischer Zeit vermutlich mit Weidenruten abgetrennt, wovon Löcher im Boden des Kellers zeugen. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass hier wertvollere Gebrauchsgüter gelagert wurden. Als gewaltiger Block lag der zentrale Türfußbodenstein mit Pfostenlöchern auf dem Kellerboden, wo er vermutlich hineingestürzt ist.
Der über die ganze Villa gestreute Fund von so genannten Schrötlingen, Rohlinge zur Münzprägung, hat wiederholt zu der Vermutung geführt, dass sich in Holsthum eine lokale Münzprägestätte befunden haben könnten (D. Krausse). Diese Vermutung konnte durch weitere Funde wie Gussformen und metallene Prägestangen bestätigt werden, von denen die einzelnen Schrötlinge abgeschlagen werden konnten. Bei den Münzen handelt es sich unter anderem um Antoniniane des Postumus aus der Zeit um 260 n. Chr. Bemerkenswert ist zudem der Fund einer frühen Distelfibel und einer keltischen Bronzemünze.
Besonders hervorzuheben ist der Fund einer (angel?-) sächsischen, silbernen Sceatta-Münze vom Typ „Porcupine“ („Stachelschwein“), die in dieser Art in der ersten Hälfte der 8. Jahrhunderts geprägt worden sind. Was aber verraten die ausgegrabenen Reste nun über das einstige Aussehen der Villa?
Beschreibung des möglichen ehemaligen Aussehens
Bei der villa rustica[7] handelte es sich um eine zweistöckige so genannte Risalitvilla, was so viel bedeutet wie Villa mit seitlich vorspringenden Eckgebäuden (Das Italienische „risalto“ bedeutet „Vorsprung“). Die Reste des aus heimischem gelbem Sandstein errichteten Gebäudes haben eine Gesamtbreite von 47, 4 m, die Tiefe beträgt 23, 65 m. Jeder Risalit misst 9,30 auf 11,20 m. Dazwischen liegt eine nach vorne offene Portikus (Frontsäulenhalle), die nach Südwesten hin geöffnet ist. Das Gebäude war unter dem zentralen Teil der Portikus unterkellert, wohin heute noch von der nordöstlichen Seite die originale Treppe führt.
Das Dach der etwa 29 m langen und 4,3 m tiefen Portikus wurde nach Südwesten von 8 bis 10 toskanischen Säulen mit wulstiger Basis und profilierten Kapitellen getragen. Die beiden mittleren Säulen waren etwa 3,4 m hoch, die äußeren etwa einen Meter kleiner. Die Mitte der Portikus dürfte daher nach Art einer Aedikula mit Dreiecksgiebel gestaltet gewesen sein. Links und rechts davon stieß ein Pultdach an die nach hinten liegende Querwand. Darüber schloss sich ein längs laufendes Satteldach an, das die zentralen Räume hinter der Portikus deckte. Beide Risalite dürften ebenfalls mit einem Dreiecksgiebel abgeschlossen haben. Der nördliche Risalit beherbergte einen Bädertrakt mit Hypokausten, der südliche vermutlich herrschaftliche Wohnräume. Von der Ausstattung hat sich kaum etwas erhalten, so dass wir in großen Teilen von vergleichbaren und besser erhaltenen römischen Villen auf das Innere der Holsthumer Villa schließen können. Rote und weiße Putzfragmente, die an der Außenseite gefunden worden sind, lassen auf eine entsprechende Außenbemalung schließen, wobei die Sockelzone vermutlich rot war. Im Inneren konnten verschiedenfarbige Putze, weiße, rote, grüne und gelbe, gefunden werden. Fragmente von Glas lassen darauf schließen, dass die Fenster zumindest zum Teil verglast waren. Längs vor der südwestlichen Schauseite der villa rustica befand sich möglicherweise ein größeres Wasserbassin, wie es beispielsweise auch für Echternach dokumentiert ist.
Mögliche Bewohner und Lebensumstände
Über die Bewohner der villa rustica in Holsthum haben wir keine direkten Informationen, jedoch lässt sich aus Ort und Ausgestaltung des Gebäudes schließen, dass es sich möglicherweise um wohlhabende, romanisierte Adlige der Region, vermutlich keltischer Abstammung, handeln dürfte. Auch römische Beamte können als Besitzer nicht ausgeschlossen werden. Für eine Nutzung der villa rustica nur in den warmen Monaten des Jahres spricht die Tatsache, dass sich Hypokausten (Fußbodenheizung) nur im Badetrakt des Gebäudes nachweisen lassen. Das könnte für eine Nutzung durch einen auswärtigen Herrn sprechen, der die Villa nur in den Sommermonaten besuchte.
Wenngleich sich anschließende, wohl hölzerne Wirtschaftsgebäude angenommen werden müssen, so hat sich von ihnen jedoch nichts erhalten, so dass wir über deren Größe, Lage und Nutzung nichts sagen können. Es erscheint jedoch nicht unwahrscheinlich, dass eine kleinere Wasserleitung Wasser vom oberhalb gelegenen Mäschbach bis zum Hauptgebäude und dessen Badetrakt geführt hat. Der Zugang einer Wasserleitung ist in diesem östlichen Teil des nördlichen Risalits noch erkennbar.
Auch die Zugangssituation zur römischen Villa ist letztlich nicht geklärt: Handelt es sich bei der Westfront um eine repräsentative Schau- und Zugangsseite, so ist anzunehmen, dass der östliche Teil eher als Zugang für hauswirtschaftliche Zwecke genutzt wurde. Von hier aus dürften Wege auf das heutige Holsthumer Plateau, nach Süden und Richtung Mäschbachtal geführt haben.
Da zu einer villa rustica im Regelfall auch ein Tempel gehörte, mag es eine Verbindung zwischen dem in der Gemarkung Hufeisen und oberhalb der Quelle des Dahlembaches gelegenen Tempel geben. Denkbar ist jedoch auch, dass es an der Stelle der oberhalb der villa rustica gelegenen Rochuskapelle einen antiken Vorgängerbau gegeben hat, was jedoch noch zu untersuchen wäre. Entsprechende, besonders religiöse, Nutzungskontinuitäten von heidnischer in christliche Zeit sind für Antike und Mittelalter vielfach belegt.
Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit lässt sich die Nische mit Giebeldach im Bereich des Kellertreppenaufgangs der Villa als sacrarium oder sacellum für die Hausgeister, lat. penates, deuten. Hier standen wohl Figuren der Verstorbenen, denen der Hausherr regelmäßig mit Weihrauch opferte. Die so genannten dii penates hatten die Funktion, die Vorräte des Hauses vor Schaden aller Art zu bewahren.
Zerstörung
Die pax Romana, der lange Frieden im Römischen Reich, der bis etwa 250 n. Chr. andauerte, gewährte den Bewohnern der villa rustica eine etwa 150 Jahre währende Epoche relativ friedlicher Existenz. Aber auch innerhalb dieser Phase gab es im Bereich der Gallia belgica, die Provinz zu der unsere Region damals gehörte, immer wieder Erschütterungen, von denen auch die Bewohner der Römischen Villa betroffen gewesen sein könnten. Schon im Zusammenhang mit dem Bataveraufstand um 70 n. Chr. könnten die Bewohner der Vorgängersiedlung in militärische Konflikte mit hineingezogen worden sein. Mit Beginn des 3. Jahrhunderts sickerten immer wieder alemannische und fränkische Gruppen durch den Limes in das Reichsgebiet ein und zogen Schneisen der Verwüstung in die germanischen Provinzen. 233 bis 235 durchbrachen Alemannenkrieger den Limes und konnten nur mühsam zurückgeschlagen werden. Zu einem erneuten Durchbruch der Alemannen, noch weitaus gravierender als der frühere, kam es um 260. Weite Teile der Provinz Gallia belgica wurden geplündert. Zeitgleich erschütterte ein erneuter gallischer Aufstand das Reich: Postumus, hoher Offizier, eventuell sogar Statthalter Niedergermaniens und gallischer Abstammung, ließ sich nach einem erfolgreich abgewehrten Frankeneinfall zum Kaiser und damit zum Usurpator über weite Teile des westlichen Teils des Römischen Reiches, was auch als „Gallisches Sonderreich“ bezeichnet wird, ausrufen. Nach wechselvollen Kämpfen des Postumus mit dem legitimen Kaiser Gallienus fiel jener 269, getötet von seinen eigenen Truppen. Das Gallische Sonderreich hatte noch bis zum Jahr 274 bestand, bis der legitime Kaiser Aurelian einen Nachfolger des Postumus militärisch überwinden konnte.[8] Belegt ist eine erste schwere Verwüstung der Villa um das Jahr 260. Ob sie in die Kämpfe um das Gallische Sonderreich hineingezogen wurden oder von marodierenden Franken- oder Alemannentruppen zerstört wurde, lässt sich letztlich nicht klären. Funde von Münzen aus dem 4. Jahrhundert legen eine erneute Nutzung der Villa nahe, wenn auch nur in kleinerem Umfang.
Von den Ausgrabungen bis zur „Straße der Römer“
Nach Ende der Grabungsarbeiten wurden die Grundmauern bis zur Sockelzone des Erdgeschosses wieder aufgemauert. Zudem entstanden Abgüsse der Säulen und Säulenbasen, die bei einer späteren Rekonstruktion verwertet werden sollten. Diese Maßnahmen konnten jedoch nur mit Hilfe von ABM-Maßnahmen und durch das tatkräftige Engagement vieler Holsthumer Bürger durchgeführt werden.
Auf Initiative des damaligen Ortsbürgermeisters Heinz Berscheid und seines Kollegen Hans-Michael Bröhl von der Verbandsgemeinde Irrel wurde am 11. April 1991 der „Förderverein Römische Villa Holsthum e. V.“ gegründet, der schnell regen Zulauf fand. 1996 trat dann der international bekannte Architekt Oswald Matthias Ungers mit dem Plan an die Gemeinde heran, die römische Villa wieder in originaler Gestalt herzurichten. Diese Pläne ließen sich jedoch nicht realisieren. Im Folgenden gab es konkrete Planungen, auf dem Ausgrabungsgelände ein großes Hotel der gehobenen Klasse zu errichten, die eine in den Hotelbau integrierte Rekonstruktion der Römischen Villa vorsahen. Das antike Gebäude selbst sollte dabei moderne Hotelangebote beherbergen. Auch diese Pläne ließen sich letztlich nicht durchsetzen. Im Jahr 2013 konnte die römische Villa schließlich in das landesweite Projekt „Straße der Römer“ aufgenommen werden. Hierfür wurden umfangreiche Sicherungs- und Verschönerungsmaßnahmen durchgeführt: Die Balken der Kellerdecke wurden ausgewechselt, das Bodenniveau der Raumgrundrisse mit verschiedenfarbigem Vulkangranulat bedeckt, Metallgeländer an zentralen Bereichen errichtet, sowie eine hölzerne Sitzgruppe und eine Informationstafel aufgestellt. Im August desselben Jahres konnte die römische Villa im Rahmen eines großen Festes der Öffentlichkeit übergeben werden. Nach der Fertigstellung aller Restaurierungsmaßnahmen hat der „Förderverein Geschichte und Kultur Holsthum e.V.“ (ehemals Verein „Römische Villa e. V.“) mit verschiedenen Festen wieder Leben in die alten römischen Mauern gebracht.
Im August 2017 wurde bei Grabungen des Rheinischen Landesmuseums in der Südostecke der Villa eine so genannte Darre freigelegt, die bis dahin von einem Steinhaufen bedeckt war. Funktion der Darre war es, Dinkel zu trocknen, um ihn für das Dreschen vorzubereiten. Darren sind bei römischen Villen insgesamt selten zu finden, obgleich sie regelmäßig vorhanden gewesen sein dürften.
Ein weiteres bedeutendes Zeugnis aus der gallo-römischen Epoche stellt ein Brandgräberfeld auf dem Weg von Holsthum zur Schankweiler Klause auf der Gemarkung „Langenstein“ dar. In der Regel betrieben in älterer, vorrömischer Zeit die Bewohner mehrerer Siedlungsstellen zusammen eine gemeinsame Begräbnisstätte.[9] Daher scheint ein Zusammenhang mit den Bewohnern der villa rustica Holsthum trotz der großen räumlichen Entfernung durchaus möglich. Eine Belegung des Gräberfeldes durch Bewohner einer möglicherweise nur wenige hundert Meter weiter östlichen gelegenen Siedlungsstelle in der Flur „Frungert“ kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Dafür spricht, dass gallo-römische Landgüter häufig einen eigenen Gräberbezirk im näheren Umfeld der Gebäude hatten. Letztlich muss offen bleiben, wo die Nutzer dieses Gräberfeldes zuvor gelebt haben. Die Reihe steinerner Aschenkisten und Steinplattengräbern und erstreckt sich auf einer Länge von ca. 200 m im Hanggelände (Krausse). Da das Gräberfeld bisher nicht systematisch untersucht wurde, ist die Anzahl der Bestattungen unbekannt. Mindestens 20 Gräber sind jedoch gesichert.[10] Als Zeitraum für die Belegung darf man die Zeit vom frühen 1. Jh. n. Chr. bis ins 2. Jh. n. Chr. annehmen. Zu dem Gräberfeld gehört auch das so genannte Halbwalzengrab, das sich etwas nördlich abseits des größeren, zusammenhängenden Gräberfeldes befindet. Sein Name leitet sich von der Form der großen Abdeckplatte ab. Leider sind heute Teile der Vorderseite des Grabes und andere Bestandteile verschwunden. Bei dem zentralen Gräberfeld handelt es sich um ein Gruppe von etwa 20 Kisten und Steingräbern mit verschiedenförmigen steinernen Abdeckungen: satteldachförmige, pyramidale bzw. Abdeckungen in Form eins Obelisken lassen sich erkennen. Insgesamt folgen die Grabtypen dem Modell des „Hüttengrabes“ und erinnern entfernt an die Form eines Wohnhauses.[11]
Von dem Gräberfeld nach Westen führt ein schmaler und steiler Weg den Hang hinauf zum Langenstein: Auch auf diesem Weg sind deutliche Einkerbungen im felsigen Boden zu erkennen, die auf eine sehr lange Nutzung als Karrenweg schließen lassen, sehr wahrscheinlich in der Zeit der Belegung des Gräberfeldes.
Ein weiteres Gräberfeld befindet sich auf der Gemarkung „Maßholderheck“, südlich von Holsthum. Hier findet sich ein recht ausgedehntes frührömisches Brandgräberfeld. 1981 wurde ein kleiner Bereich vom Rheinischen Landesmuseum Trier untersucht, wobei acht Grubengräber dokumentiert werden konnten. Sie waren einfach ausgestattet und müssen in augusteisch-tiberische Zeit datiert werden. Das Gräberfeld umfasst wahrscheinlich ca. 100 Bestattungen.[12]
Schließlich findet sich auf der Gemarkung „Auf dem schwarzen Kreuz“ eine 1967 ausgegrabene Gruppe von sechs oder sieben römischen Brandgräbern, die wahrscheinlich Teil eines größeren Bestattungsplatzes waren. Die Grabstellen waren bei der Entdeckung offensichtlich teilweise bereits gestört. Nur noch Leichenbrand und fragmentierte Keramik konnten geborgen werden. Z. T. handelt es sich um Aschenkisten-Bestattungen.[13]
Weitere gallo-römische Siedlungsplätze und Funde
Neben der römischen Villa sind einige weitere gallo-römische Siedlungsplätze um Holsthum bekannt, so etwa eine kleine römische Siedlungsstelle nördlich des Ortes.[14] Nicht weit davon entfernt findet sich heute der Aussiedlerhof der Familie Bürger, wo bei Bauarbeiten eine römische Brunnenanlage entdeckt wurde. In ihr fand sich ein Balken, der durch dendrochronologische Untersuchungen in das 3. Jahrhundert n. Chr. datiert werden konnte. Zudem fanden sich zahlreiche römische Keramik- und Ziegelbruchstücke.[15] Von hier aus führte ein antiker Hohlweg in nordwestliche Richtung, der vermutlich identisch ist mit einem Weg, der auf alten Ortskarten bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts dokumentiert ist.
In der Flur „Hinterste Sang“ findet sich eine Fundstreuung im südöstlich vom Dorf gelegenen Prümtal, am Fuße eines Hangs: Römische Keramik, bearbeitete Steine und große römische Aschenkisten traten zutage. Ob es sich um einen Siedlungsplatz mit angeschlossenem Bestattungsplatz handelt, ist nicht geklärt.
Eine weitere Siedlungsstelle ist in Zusammenhang mit dem Gräberfeld in der Flur „Maßholderheck“ belegt. Neben Ziegeln und Eisenschlacken wurde hier Keramik des 2. und 3. Jh. n. Chr. gefunden.
Hinzu kommen weitere Siedlungsstellen im Prümtal südöstlich von Holsthum, wo Mauerreste, Sandsteinblöcke mit Klammerlöchern und Schwarzfirniskeramik gefunden worden sind. In der Flur „Odendell“ und auf „Pals-Berg“, rechts der Straße nach Schankweiler. fanden sich römische Ziegel, Bausteine und Keramik. Schließlich sind Ziegel- und Mauerreste einer gallo-römischen Siedlungsstelle in der Flur „Auf dem Kiesel“, nordöstlich von Holsthum, belegt.
Nach Krausse „befinden sich auf einem zur Prüm hin gelegenen Vorsprung des Wolsfelderberges in der Flur ‚Hufeisen‘ die gut erhaltenen Grundmauern eines großen römischen Bauwerkes“[16] in der Form zweier ineinander geschachtelter Mauervierecke aus Sandstein. Das Gebäude muss die nicht unbedeutenden Maße von etwa 42 m x 42 m im Außenmaß und etwa 17x 12 im Innenmaß gehabt haben, was auf eine mindestens regionale Bedeutung schließen lässt.
Es könnte sich um ein gallo-römisches Quellheiligtum des Dahlembaches gehandelt haben. Wenngleich die Funde eines römischen As (kleine römische Münze) auf die gallo-römische Epoche verweisen, so ist eine deutlich ältere Nutzung nicht unwahrscheinlich. Möglicherweise handelt es sich um einen „Herbergsbau, wie er aus größeren Pilgerheiligtümern des Treverergebietes bekannt ist“ (D. Krausse). Auch eine Nutzung als römisches Quellheiligtum kann nicht ausgeschlossen werden. Möglicherweise handelte es sich um den zur Villa gehörigen Tempel, der zugleich eine Einnahmequelle für die Bewohner der Villa dargestellt haben könnte. Wenngleich die räumliche Nähe dafür spricht, so muss, auch wegen der unterschiedlichen Nachweise für den Nutzungszeitrum der beiden Gebäude, ein Zusammenhang letztlich Vermutung bleiben. Entlang des Dahlemsbaches Richtung Prüm lassen sich im anstehenden Fels deutliche Einkerbungen in Breite eines Wagens erkennen, so dass man annehmen darf, dass ein Weg direkt vom Prümtal hinauf zum Tempel geführt hat.
Mit dem Übergang zur Völkerwanderung schwinden die archäologischen Zeugnisse auf dem Gebiet von Holsthum fast gänzlich. Lediglich die oben bereits erwähnt Sceatta-Münze ist ein Hinweis auf diese Epoche, wenngleich die Umstände zu ihrem Weg nach Holsthum völlig unklar sind. Das nächste Zeugnis frühmittelalterlicher Zivilisation in der Umgebung ist das fränkische Gräberfeld in Schankweiler, das wohl ins 7. bis 8. Jahrhundert gehört.[17] Die fränkische Landnahme der Gegend um Holsthum tritt erst im Jahr 721 mit der urkundlichen Erwähnung des Ortsnamens „Crenchovilare“ ans Licht. Die genaue Lage dieser Siedlung bleibt dabei jedoch unsicher.
Literatur
Carroll, Maureen: Römer, Kelten und Germanen; Leben in den germanischen Provinzen Roms, Darmstadt 2001.
Faust, Sabine: Das Wohnhaus des römische Gutshofes bei Holsthum (Kreis Bitburg- Prüm), in: Beiträge zur Geschichte des Bitburger Landes 1/1995, S. 26 – 32.
Heinen, Heinz: Trier und das Trevererland in römischer Zeit, Trier, 4. Aufl. 1997.
Gollub,Siegfried: Steinzeitliche Funde im Gebiet um Holsthum, Kreis Bitburg-Prüm, in : Trierer Zeitschrift (35) 1972, S. 5-87.
Krausse, Dirk L.: Eisenzeitlicher Kulturwandel und Romanisierung im Mosel-Eifel- Raum, Frankfurt/Mainz 2006.
Kyll, Nikolaus: Crenchovilare-Schankweiler-Holsthum, in: Kurtrierisches Jahrbuch 1986, S. 21 ff.
Paul, Angelika: Archäologie und Geschichte des Ferschweiler Plateau, Irrel (ohne Jahr).
Paul, Angelika: Denkmäler auf dem Ferschweiler Plateau, Irrel (ohne Jahr).
Schneider, Florian: Neue Studien zur Hunsrück-Eifel-Kultur; Rahden 2012.
Steinhausen, J.: Archäologische Siedlungskunde des Trierer Landes, Trier 1936.
[1] Vgl. Krausse, S. 77.
[2] Münzfunde belegen jedoch eine fortgesetzte Nutzung des Castellberges als Heiligtum bis in die
ersten Jahrhunderte.
[3] Krausse, S. 78.
[4] Steinhausen, S. 129-130.
[5] Steinhausen, S. 130.
[6] Steinhausen, S. 130.
[7] Die Beschreibung folgt im Wesentlichen den Angaben von Faust, Sabine: Das Wohnhaus des römischen Gutshofs bei Holsthum (Kreis Bitburg-Prüm), in: Beiträge zur Geschichte des Bitburger Landes 1/1995, S. 26 – 32.
[8] Vgl. Heinen, Heinz: Trier und das Trierer Land in Römischer Zeit, S.90-95.
[9] Vgl. Carroll S. 97.
[10] Vgl. Krausse.a.a.O.
[11] Paul, Angelika: Archäologie und Geschichte des Ferschweiler Plateau, Irrel, ohne Jahr.
[12] Krausse, a.a.O.
[13] Krausse, a.a.O.
[14] Krausse, a.a.O.
[15] Krausse, a.a.O.
[16] Ebd., S.79.
[17] Vgl. Kyll, Nikolaus, S. 21 ff.