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Das Wohnhaus des römischen Gutshofes bei Holsthum

Von Sabine Faust (Landesmuseum Trier)

Aus Beiträge zur Geschichte des Bitburger Landes Heft 1/95

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Zwischen Holsthum und Prümzurlay liegt im leichten Hang über dem Flüsschen Prüm in landschaftlich reizvoller Lage eine schon seit langem bekannte, römische Fundstelle mit dem bezeichnenden Flurnamen »Auf den Mauem«.

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Im Herbst 1989 führte das Rheinische Landesmuseum Trier hier mit Unterstützung des Kulturamtes eine erste Sondierungsgrabung durch, während der die Ausdehnung eines sich im Gelände abzeichnenden großen Baus geklärt werden konnte. Von 1991 bis 1993 wurden im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme die Grundmauern des Wohnhauses eines römischen Gutshofes, einer sogenannten villa rustica, freigelegt. Der Befund soll der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Daher schloss sich an die Ausgrabung die Sicherung des Bestandes und die Wiederherstellung von Teilbereichen an. Zur Zeit sind die Arbeiten noch im Gang. Träger dieser Maßnahme sind die Verbandsgemeinde Irrel, der Naturpark Südeifel und der Förderverein »Römische Villa Holsthum«.

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Das Gebäude weist den für Anlagen dieser Art typischen Grundriss mit einer nach vorne offenen Frontsäulenhalle (Portikus) und zwei Eckrisaliten zu deren beiden Seiten auf (Abb. 1). Die Gesamtbreite des Baues beträgt 47,4 m, die Tiefe 23,65 m. Jeder der Risaliten misst etwa 9,3 auf 11,2 m. Die Front orientiert sich nach Südwesten und liegt so vom späten Vormittag an bis zum Abend in der Sonne.

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Als Baumaterial für das römische Gebäude diente der in der Umgegend anstehende gelbe Sandstein. Aus ihm wurden auch alle Architekturteile gefertigt.

Die Mauersteine der Ruine wurden in nachantiker Zeit zur Wiederverwendung abgetragen. Dabei raubte man die Gebäuderückwand, den vorderen Teil des südöstlichen Risaliten sowie die westliche Ecke des nordwestlichen bis in die Fundamente hinein vollständig aus.

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Wann diese Ausbeutung begann, lässt sich nicht sagen, doch wissen wir, dass sie noch bis in die Neuzeit hinein fortdauerte. Hier geborgene Treppenstufen wurden im heutigen Dorf Holsthum neu versetzt.

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Durch diesen Steinraub, die natürliche Erosion und in Folge landwirtschaftlicher Nutzung wurde der Boden stellenweise bis weit unter das antike Niveau abgetragen. So konnte im Erdgeschoß keine originale Türöffnung erhalten bleiben.

Die nach vorne zu offene, etwa 4,3 m tiefe Frontsäulenhalle (8, 9 und 10 im Grundriss) nimmt die gesamte Breite des zentralen Bauteiles ein. Das mittlere Drittel dieser Portikus ist unterkellert. Hier lagen zwei mächtige Schwellen und Architekturglieder, darunter Teile sogenannter toskanischer Säulen aus gelbem Sandstein mit wulstiger Basis und profilierten Kapitellen (Abb. 2).

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Letztere lassen sich zu zwei kompletten Exemplaren unterschiedlicher Größe zusammensetzen. Die kleinere war etwa 2,4 m hoch; die größere fast 3,4 m. Diese Funde geben uns wesentliche Hinweise auf das Aussehen des Portikus: Ihre Mitte muss in Art einer Aedicula mit Dreiecksgiebel über einem Paar der größeren Säulen gestaltet gewesen sein; je drei der kleineren Exemplare zu deren beiden Seiten stützten das gegen die dahinterliegende Wand stoßende Pultdach. Eine Vorstellung vom möglichen Aussehen der Front vermittelt die Rekonstruktionszeichnung (Abb. 3).

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Man betrat das Gebäude über einige Stufen in der Portikusmitte. Auf der Mauer zwischen den beiden höheren Säulen lag eine der im Keller gefundenen mächtigen Sandsteinschwellen (Abb. 2). Die zweite, mit den Einarbeitungen für den Verschluss der Haustür, hatte ihren Platz in der Mitte der Portikusrückwand.

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Der hinter der Portikus liegende Gebäudeteil wird durch zwei Quermauern in drei Bereiche aufgeteilt. Von der Portikus gelangte man zunächst in den 10,2 m breiten und 11,9 m tiefen Zentralraum (13). Ein annähernd quadratischer Ofen von 2,4 m Seitenlänge in seiner Nordecke (16), direkt gegenüber der Treppe zum Keller, diente nicht nur zum Kochen: Nach Aussage der aufgefundenen Eisenteile und Schlacken wurden auch kleine Schmiedearbeiten hier im Innenraum durchgeführt.

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Zwischen dem Ofen und dem Ende der Kellertreppe muss der Zugang zum 8,8 auf 11,5 m großen Raum (14) , dem zweitgrößten des Gebäudes, gelegen haben.

Die etwa gleich große Gebäudepartie auf der anderen Seite des Zentralraumes umfasst drei Räume: Die beiden Zimmer 11 und 12 (etwas 3,7 auf 5,3m) konnten nur durch Fenster von der Portikus her beleuchtet werden. Vom hinter beiden liegenden Raum 15 aus führte, wie ein Mauervorsprung zu Auflegen der Holzstufen zeigt, eine Treppe in den ersten Stock.

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Mit Ausnahme des Ofens in Raum 13 fehlen Einbauten, die Hinweise auf die Nutzung der Räume geben. Keines der Zimmer wies eine fest installierte Heizung auf.

Vom großen Zentralraum (13) aus erreichte man über eine etwa 1,4 m breite und 6,3 m lange Treppe (17) den Keller (Abb. 4). Sechs ihrer ehemals wohl zehn Sandsteinstufen blieben erhalten. Bei den fehlenden wird es sich um die im Dorf verbauten handeln. Beim Abstieg rechterhand findet sich in der Wangenmauer eine kleine Wandnische mit spitzen Abschluss. Auf der Schwelle zum Keller, wie die Stufen aus Sandstein, blieben die Einarbeitungen für die Türverriegelung erhalten. Die seitlichen Türgewände fehlen.

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Während die Frontmauer bis auf ihre unteren Lagen eingestürzt war, konnten Rückmauer und Seitenwände des 10,7 m langen und 3,6 m breiten Kellerraumes (9) bis zu 2,3 m hoch erhalten freigelegt werden. In den Raumecken und an den Längswänden waren insgesamt acht Pfeilervorlagen vor die Wand gemauert. Zwischen denen der zum Gebäudeinnern hin gelegenen Wand blieben zwei kleine Rechtecknischen unbeschädigt erhalten; beide Schmalseiten weisen Rundbogennischen auf. Die Wände waren unverputzt.

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Unter dem festgestampften Keuperboden des Kellers konnte 1991 eine Drainage festgestellt werden: Von der Nord- und der Ostecke ausgehend vereinigen sich zwei schmale Kanäle mit einem dritten, der quer durch die Raummitte angelegt wurde, etwa in der Mitte der vorderen Kellerlängsmauer. Die Konstruktion ist einfach: Über senkrecht an den Seitenwänden der schmalen Gräben stehenden Steinen liegen flache Deckplatten. Dieser Entwässerungskanal steht mit einer Drainage vor dem Gebäude in Verbindung.

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1,25 bis 1,35 m vor der rückwärtigen Schmalseite befindet sich im Kellerboden eine Reihe von 15 mindestens 10 cm tiefen Löchern von 3 bis 4 cm Durchmesser. Hier dürften Stöcke eingesteckt gewesen sein. Ihr geringer Abstand spricht für die Umflechtung mit Weiden. So entstand eine Absperrung zur Lagerung von Stückgut.

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1993 wurde der Versuch unternommen, diesen Kellerraum originalgetreu wiederherzustellen. Die Frontmauer wurde mit zwei sich schießschartenartig nach innen verbreitemden Fenstern, die den Raum beleuchten und belüften, rekonstruiert. Die Mauem wurden bis zur erforderlichen Höhe aufgeführt, das erhaltene antike Mauerwerk teilweise neu verfugt. Entsprechend der antiken Konstruktion wurden auf die Pfeilervorlagen die starken Unterbalken der hölzernen Decke aufgelegt, die gleichzeitig den Fußboden der Portikus in diesem Bereich bildete.

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Durch die Schmalseiten der Portikus erfolgte der Zugang zu den beiden Risaliten. Der südöstliche enthält drei Räume: In Verlängerung der Portikus liegen zwei kleine Zimmer (20: ca. 2,6 auf 3,8 m; 18: ca. 4,7 auf 3,8 m). Ihnen vorgelagert ist der im Lichten 5,2 auf 7,8 m große Raum 19.

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Der nordwestliche Risalit weist eine wesentlich stärkere Untergliederung auf. Hier lag das Bad. Allerdings wurden seine Einbauten so vollständig ausgeraubt, dass sich nur noch kleine verstreute Bruchstücke der charakteristischen Ziegel fanden. Offensichtlich wurden diese Materialien mit Sorgfalt ausgebaut, um sie wie die Mauersteine - an anderer Stelle wiederzuverwenden.

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Trotz dieses schlechten Erhaltungszustandes lässt sich die Nutzung der einzelnen Bereiche mit einiger Sicherheit rekonstruieren.

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Ein römisches Villenbad kann vier Bereiche umfassen: einen Auskleideraum (Apodyterium), das Frigidarium (Kaltbaderaum), das Tepidarium (lauwarmes Bad) und das Caldarium (Warmbad); zur Beheizung ist weiterhin ein Bedienungsraum erforderlich. Im Falle der Risalitvilla bei Holsthum lassen sich wohl alle diese Bereiche nachweisen.

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Man betrat den Badetrakt von der Portikus her durch den schmalen Raum 7, der als eine Art Windfang diente und zugleich den Zugang zum Verteilerraum 4 ermöglichte. Dieser wird als Auskleideraum genutzt worden sein. Von ihm aus betrat man die Räume 1 a und 6. Das Frigidarium, der unbeheizte Bereich des römischen Bades, lag wohl im vorderen Teil des Risaliten: Bei den Bereichen 1 b und 2 dürfte es sich um zwei Becken handeln, die zu Raum 1 a gehören. Das Niveau des quadratischen Raumes 3 liegt deutlich tiefer als das aller übrigen. Durch die in diesem Bereich völlig zerstörte Außenwand muss der Zugang erfolgt sein. Von Raum 3 aus erfolgte, durch eine ursprünglich mit Ziegeln vermauerte Öffnung, die Befeuerung der vollständig ausgebauten Fußbodenheizung von Raum 5, dem Caldarium (Warmbad). Beim unmittelbar daneben gelegenen Raum 6 wird es sich um das Tepidarium gehandelt haben, das man wohl durch Wandöffnungen gemeinsam mit dem Caldarium beheizte. Unter dem Fußboden von Raum 6 konnte der Graben der Wasserzuleitung festgestellt werden. Mittels Bleirohren wurde das Wasser in einen beheizbaren Kessel geleitet, der auf dem Podest in der Ostecke des Bedienungsraumes stand. An der Wand zu diesem muss das Becken des Caldariums gestanden haben, da das im Kessel aufgeheizte Wasser auf dem kürzesten Weg ins Becken geleitet werden musste und unmittelbar über der Befeuerung der Heizung am besten warm gehalten werden konnte. - Eine Latrine konnte nicht festgestellt werden.

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Im Winkel zwischen dem südöstlichen Risaliten und der Seitenwand des Kernbaues errichtete man einen Ofen (21) mit dem wohl zugehörigen Raum (22). Hinweise auf die Art der Nutzung fehlen. Während eines im Sommer 1994 durchgeführten Internationalen Jugendcamps wurde außerhalb des Gebäudes. dicht an seiner Rückwand, die unterste Lage eines T-förmigen Ofens, wohl einer Darre, freigelegt.

Das Gelände vor dem Gebäude wurde künstlich terrassiert. Gegen die 7,7 m vor der Portikus gelegene senkrechte Abgrabung des anstehenden Keupers setzte man eine 16,3 m lange, noch maximal 80 cm hoch erhaltene Mauer aus schön zugehauenen Sandsteinen, die an beiden Enden zum Tal hin ein Stück umwinkelt. Der Zugang zum Gebäude erfolgte also über zwei an den Risaliten vorbei führende Rampen. Von der Terrasse führte eine Treppe zur Portikus.

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Auf der Terrasse konnte eine etwa 1 m breite und bis zu 2,2 m tiefe Drainage festgestellt werden.

Diese führte zunächst etwa 2,5 m senkrecht vom Gebäude weg und teilt sich dann in zwei Kanäle. Der westliche konnte bis vor den Risaliten verfolgt werden. Der südliche führt auf die Ecke der Terrassierungsmauer zu; er konnte noch nicht abschließend untersucht werden. Die Grabensohle liegt auf einem der Entwässerung im Keller entsprechenden Niveau und ist durch die Fundamentstickung der Frontmauer hindurch mit ihr verbunden. Wie bei dieser stehen Standsteine längs der Wände und werden von flachen unregelmäßigen Platten aus demselben Material abgedeckt. Auf sie wurde wieder Keuper eingefüllt. Ein offener, von Holzbohlen abgedeckter Graben über dieser wasserundurchlässigen Schicht diente zur Ableitung des Oberflächenwassers.

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Auf die Ausstattung der Risalitvilla haben wir nur wenige Hinweise. Vom Verputz der Außenwände blieben am nordwestlichen Risaliten dicht über dem antiken Bodenniveau Reste erhalten: Die noch einige Zentimeter hohe Partie bezeugt, dass die Sockelzone rote Bemalung aufwies. Im Bereich vor der Gebäudefront wurden Bruchstücke des darüber sitzenden weißen Wandputzes gefunden. Vom farbigen Innenputz fanden sich nur kleine Bruchstücke. Sie bezeugen die Farben Weiß, Rot, Grün und Gelb. - Auch einige kleine Scherben von der antiken Verglasung der Fenster konnten geborgen werden.

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Die Dächer aller Gebäudeteile waren mit Ziegeln gedeckt. Aus den wenigen komplett erhaltenen Exemplaren, die allerdings nicht alle dasselbe Format aufweisen, lässt sich eine Partie der antiken Deckung wieder herstsellen (Abb. 5).

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Das Villengebäude bei Holsthum „Auf den Mauern ã€‹ Auf den Mauern ã€Š wurde im 2. Jahrhundert n. Chr. Errichtet. Es weist keine Umbauphasen auf. Nach Aussage des Fundmaterials dauerte die Nutzung bis um die Mitte des 4. Jahrhunderts an. Zwar bezeugen Keramikfunde eine Besiedlung vor der Erbauung der Risalitvilla, doch stammen sie aus einer Planierungsschicht. Befunde zu diesem frühen Material fehlen.

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